SPD-Fraktion im Rat der Landeshauptstadt Hannover
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Rat der Landeshauptstadt Hannover

11.06.2014

In den
- Schulausschuss
- Verwaltungsausschuss

A N T R A G
gemäß § 34 der Geschäftsordnung des Rates der Landeshauptstadt Hannover

Integrative und inklusive Weiterentwicklung des weiterführenden Schulsystems in Hannover

zu beschließen:

Die Verwaltung der Landeshauptstadt Hannover wird aufgrund steigender Schülerzahlen aufgefordert, für die weiterführenden Schulen in Hannover eine Konzeption vorzulegen, die folgende Aspekte und Prüfungen umfasst:

- Den bedarfsgerechten Ausbau der Integrierten Gesamtschulen unter Berücksichtigung der vom Land Niedersachsen geplanten Novellierung des Schulgesetzes.
- Die Entwicklung der Schulstandorte in Richtung eines zweisäuligen Schulsystems, bestehend aus inklusiven
- integrierten Gesamtschulen
- Gymnasien

- Existierende Hauptschulen (HS), Realschulen (RS) und Haupt- und Realschulen (HRS) können weiterhin bestehen bleiben, solange sie
- bestehen bleiben wollen (Beschluss der Schulgremien),
- angewählt werden und
- den gesetzlichen Vorgaben zum Bestand entsprechen und der Schulträger nicht zur Aufhebung veranlasst ist (Mindestschülerzahl etc. – NSchG § 106, SchOrgVO)

- Die Verwaltung prüft und stellt dar,
- welche der Schulstandorte vorhandener Haupt-, Real- oder Haupt- und -Realschulen sowohl schulplanerisch als auch flächenplanerisch zu Integrierten Gesamtschulen ausgebaut werden können und an welchen Standorten Integrierte Gesamtschulen mit Außenstellen betrieben werden können (z.B. durch jahrgangsweise Aufteilung der Schülerinnen und Schüler auf zwei Standorte).
- welche Gebäude der Region (Förderschulen) mittelfristig übernommen und weitergenutzt werden können.
- an welchen Gymnasien die Zügigkeit um mindestens einen Zug erhöht werden kann. Hierbei sollen in erster Linie stark angewählte Gymnasien den Vorzug erhalten.
- auf welche Weise der Aufbau und die Angebotsvielfalt des Sekundarbereichs II an den Gymnasien und den Integrierten Gesamtschulen konzeptionell gemeinsam entwickelt werden kann, z.B. durch Kooperationen von Integrierten Gesamtschulen und benachbarten Gymnasien oder den Aufbau von Oberstufenzentren.

- Es erfolgt die Darstellung der zu erwartenden finanziellen Auswirkungen.
- Die Integration des Schulbaus in die Stadtentwicklung wird forciert.

Die Verwaltung richtet – wie bereits während früherer Phasen der Schulentwicklungsplanung – eine Planungsgruppe aller Beteiligten ein.

Begründung:

Die Schullandschaft in Hannover und Niedersachsens ist nach wie vor durch ein gegliedertes Schulsystem geprägt. Die daraus resultierende Stagnation in der Entwicklung eines inklusiven und integrativen Schulsystem war nicht zuletzt der Blockadepolitik der schwarz-gelben Vorgängerregierung in Niedersachsen geschuldet, die anstatt der qualitativen und inhaltlichen Weiterentwicklung der Schullandschaft mit der Oberschule eine weitere Schulform des gegliederten Schulwesens einführte, anstatt die bestehenden zu stärken und weiterzuentwickeln. Die logische Folge dieser Entscheidung ist die Tatsache, dass nahezu alle Haupt- und Realschulen für sich keine Zukunft mehr sehen.

Die Daten der Drucksache 0838/2013 „Schulentwicklungsplanung der weiterführenden Schulen der LHH – Zwischenbericht“ belegen eine deutliche Tendenz: Zwischen den Schuljahren 2008/2009 und 2012/2013 sank die Anwahl der Hauptschulen in den fünften Klassen von 5,48% auf 3,24%, die der Realschulen von 19,35% auf 11,87%. Dem gegenüber stehen die Gymnasien mit einer relativen Konstanz bzw. einer leichten Steigerung von 50,41% auf 50,96% und die Integrierten Gesamtschulen mit einer deutlichen Steigerung von 24,76% auf 33,93%. Entsprechende Umfragen durch den Stadtelternrat, sowie Forschungsergebnisse zeigen, dass Eltern fast ausschließlich auf Schulen setzen, in denen ihre Kinder jeden möglichen Schulabschluss erwerben können. Im Mittelpunkt stehen dabei für die Eltern die mögliche Entwicklung und Entfaltung ihrer Kinder, möglichst unter Ausschluss von Schulwechseln. Die einzige Schulform, die den Überlegungen der Eltern nach individueller Förderung entspricht, ist die Integrierte Gesamtschule in der Form der Ganztagsschule. Dies wissen die Eltern, was die hohe Akzeptanz und die hohe Anwahl an Integrierten Gesamtschulen belegt.

Mit der angekündigten Novellierung des Schulgesetzes ist in Aussicht gestellt, dass Integrierte Gesamtschulen als ersetzende Schulform anerkannt werden. Dies bedeutet, dass Schülerinnen und Schüler in Zukunft einen Anspruch auf einen Schulplatz an einer IGS haben werden. Die Schülerentwicklungszahlen und das Anwahlverhalten zeigen, dass es einen erheblichen Bedarf an Schulplätzen an integrierten Gesamtschulen gibt, der durch das aktuelle Angebot nicht abgedeckt werden kann. Deshalb müssen die Integrierten Gesamtschulen bedarfsgerecht ausgebaut werden.

Eine steigende Schülerzahl, deren Entwicklung und Auswirkung im Grundschulbereich bereits in der Drucksache 0837/2013 dargestellt wurde, führt daher zu notwendigen konzeptionellen Überlegungen im Bereich der weiterführenden Schulen. Dabei fordern Haupt- und Realschulleiter in Gesprächen die Möglichkeit der Weiterentwicklung ihrer Schulen hin zu integrativen Systemen. Sie erkennen die faktische Entwicklung der weiterführenden Schulen in Hannover zu einem Zwei-Säulen-System und halten diese auch für sinnvoll. Die unübersichtliche Vielfalt des gegliederten niedersächsischen Schulwesens stellt gerade für Familien mit ausländischen Wurzeln und denjenigen, die nicht dem Bildungsbürgertum angehören, eine große Hürde dar. Das komplizierte Geflecht wird kaum verstanden und bremst durch mangelnde Durchlässigkeit die schulische Entwicklung der Schülerinnen und Schüler eher aus, als dass es sie fördert.

Ein Schulsystem aus zwei Säulen hat viele Vorteile: Es ist leicht zu erläutern, verstärkt den Wettbewerb und damit die Qualität der Schulen, bietet nur Schulen an, die zu allen Abschlüssen führen, verhindert unnötiges Abschulen und erlaubt die Konzentration auf die Weiterentwicklung der Schulqualität. Es ist die konsequente Umsetzung des Elternwillens in der Landeshauptstadt Hannover.

Durch die Einrichtung von Oberstufenzentren für diejenigen Schulen, an denen aus räumlichen Gründen keine Oberstufe angegliedert werden kann, hat jede Schülerin und jeder Schüler die Möglichkeit, die Sekundarstufe II mit dem Abitur erfolgreich abzuschließen. Gymnasien und die IGS können sich dabei ergänzen und gemeinsame Konzepte entwickeln.

In der Landeshauptstadt gibt es eine Anzahl unterschiedlich großer Gebäude, die derzeit schulisch genutzt werden. Durch die beabsichtigte Aufgabe von Förderschulen in Stadt und Region und eine Weiterentwicklung vorhandener Schulen des gegliederten Schulwesens könnte eine Optimierung der Gebäudeinfrastruktur stattfinden. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund der ständig steigenden Zahl an Zuzügen in die Landeshauptstadt, der damit einhergehenden steigenden Schülerzahl und der daraus resultierenden notwendigen Investition in zusätzliche Schulraumkapazitäten. Ziel ist es, die notwendigen Bildungsinvestitionen nur an Standorten vorzunehmen, an denen ausreichende Entwicklungsmöglichkeiten für Schulen existieren und beispielsweise vierzügige Integrierten Gesamtschulen geschaffen werden könnten.

Die antragstellenden Fraktionen bekennen sich klar zur Umsetzung der Inklusion. In eine Konzeption aller weiterführenden allgemeinbildenden Schulen in Hannover gehört daher auch die Forderung nach Umsetzung der Inklusion an allen Schulen. Damit stehen unseres Erachtens auch die Gymnasien in der Pflicht, ihre Schulen nach inklusiven und individuellen Förderplänen und Lernkonzepten auszurichten. Gute Gymnasien können das, wie entsprechende Beispiele innerhalb und außerhalb Hannovers beweisen. Es wird Zeit, dass sich die Politik weniger den Schulformen als vielmehr der Qualitätsentwicklung von Schulen widmet. Der Ausbau an qualitativ hochwertigen Ganztagsschulen, wie sie die jetzige Landesregierung vorantreibt, ist ein richtiger Schritt.

Zu einem inklusiven Schulwesen gehört auch die Frage der Integration in Sprachlernklassen von Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunft ohne Kenntnisse der deutschen Sprache: Der Besuch einer Regelschule ohne Sprachkenntnisse kann nicht erfolgreich sein. Gerade bei steigenden Zahlen von Zufluchtsuchenden muss somit der Ausbau von Sprachlernklassen vorangetrieben werden. Es muss geprüft werden, an welchen Standorten diese Sprachlernklassen in Zukunft etabliert werden können.

Das Beispiel „Quartier Kronsberg“ zeigt, wie durch eine intelligente Stadtentwicklung die Anforderungen an die notwendige Bildungsinfrastruktur von Beginn an mit geplant und umgesetzt werden können. Bei neu ausgewiesenen Bauflächen ist daher auch weiterhin immer die mögliche Errichtung von Bildungsinfrastruktur mit zu planen.

Die zu erstellende Konzeption muss des Weiteren einen Finanzierungsplan mitbringen um der Politik die Möglichkeit zu geben, die Schulentwicklung auch finanziell abzusichern.

Die Beteiligung von Sprecherinnen und Sprechern der Schulleitungen der in Hannover ansässigen Schulformen, der Eltern, der Lehrerinnen und Lehrer, der Schülerinnen und Schüler in Form einer Planungsgruppe hat sich in den früheren Jahren ausgezahlt und soll daher auch bei dieser Konzeption stattfinden.

Für die Nutzung der vorhandenen Gebäudeinfrastruktur bietet sich übergangsweise auch die Einrichtung einer dreizügigen Integrierten Gesamtschule an, bis der Ausbau zu einer vier- oder mehrzügigen Gesamtschule erfolgt. In Ausnahmefällen ist heute schon die Einrichtung einer dreizügigen Integrierten Gesamtschule möglich. Es ist zu hoffen, dass die Landesregierung im Rahmen der Novellierung des Niedersächsischen Schulgesetzes diese Ausnahme auch städtischen Kommunen gestattet, wenn der Gebäudebestand dadurch sinnvoll genutzt werden kann.

Christine Kastning Lothar Schlieckau
Fraktionsvorsitzende Fraktionsvorsitzender